Aktuell
- Kriminalisierung von Klimaprotest: Staatliche Unverhältnismäßigkeit gegen friedlichen Klimaprotest ist schädlich für die Demokratie
Was ist Klima-Prozessbeobachtung?
- Beobachtung der juristischen Entwicklung vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe.
- Austausch und Vernetzung mit den Akteuren der Klimagerechtigkeitsbewegung.
- Bewusstsein für die Dramatik der Lage schärfen & Handlungsoptionen aufzeigen.
- Solidarität zeigen. Zeichen gegen die Kriminalisierung setzen.
Was lernen wir?
- Jedes Verfahren ist anders. Insbesondere die Strafbarkeit von Sitzblockaden auf Straßen ist - entgegen weitläufiger Äußerungen mancher Politiker und Medien - keinesfalls von vornerein klar. Die Bandbreite reicht von Freispruch ("Blockade war nicht verwerflich - Das Amtsgericht Leipzig hält Straßenblockade für von der Demonstrationsfreiheit gedeckt.", taz, Juli 2023) zu Gefängnis. Daher ist es auch schwierig für die Akteure in der Klimabremserpolitik durch Anweisung beschleunigter Verfahren möglichst rasch den Protest zu beenden (siehe z. B. t-online, Juli 2023) anstelle notwendige Klimapolitik zu gestalten.
Du bist herzlich eingeladen uns zu einem der nächsten Klima-Prozessbeobachtungen zu begleiten.
Beispiel: Einladung zur Prozess-Beobachtung in Heidelberg, 19.07.2023
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz, 2021
Eine tief gehende und spannende Analyse ist beim Umweltbundesamtes zu finden: "Judikative als Motor des Klimaschutzes? - Bedeutung und Auswirkungen der Klimaklagen", 2023, Link zur Seite.
Aus der Pressemitteilung Nr. 31/2021 (29. April 2021) vom Bundesverfassungsgericht, Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich:
Oftmals ist das Argument zu hören "aber die anderen Staaten tun ja auch zu wenig". Dem wird im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts eine klare Absage erteilt:
- "Der Staat könnte sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen. Aus der spezifischen Angewiesenheit auf die internationale Staatengemeinschaft folgt vielmehr umgekehrt die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, eigene Maßnahmen zum Klimaschutz tatsächlich zu ergreifen und für andere Staaten keine Anreize zu setzen, das erforderliche Zusammenwirken zu unterlaufen."
Weitere Schlüsselpunkte im Beschluss - Verhältnismäßigkeit und Freiheitsgrundrechte:
- "Gebot der Verhältnismäßigkeit" => "die nach Art. 20a GG verfassungsrechtlich notwendigen Reduktionen von CO2-Emissionen bis hin zur Klimaneutralität vorausschauend in grundrechtsschonender Weise über die Zeit zu verteilen"
- "darf nicht einer Generation zugestanden werden, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde."
- künftig betroffene Freiheitsgrundrechte
Kritik am Urteil, die Dimension des Problems vollständig abzubilden, befindet sich im oben genannten UBA-Artikel, S. 44 (eigene Hervorhebungen):
"Einseitig gelesene doppelte Freiheitsgefährdung – Grundrechte und Staatsziele
Aufgrund der bislang fehlenden Thematisierung der Unterscheidung „Schutz vor dem Klimawandel vs. Schutz vor der Klimapolitik“ unterblieb im Schrifttum bislang auch eine zentrale Problematisierung zum BVerfG-Beschluss: Die größere Gefahr für die Freiheit und ihre Voraussetzungen ist der politisch hingenommene oder begünstigte Klimawandel selbst und nicht eine radikale Klimapolitik, anders als es das BVerfG insinuiert. Man denke insoweit daran, dass der Klimawandel die Nahrungs- und Wasserversorgung in Teilen der Welt prekär werden lässt und große Naturkatastrophen wahrscheinlicher macht, die große Migrationsbewegungen, Kriege und Bürgerkriege zur Folge haben könnten und zudem nach konservativen Schätzungen die Bewältigung der Folgen des Nichthandelns um rund das Fünffache – ggf. auch deutlich mehr – teurer zu werden droht als eine konsequente Klimapolitik [...]. Dass das Gericht dies nicht ausreichend realisiert, zeigt sich auch daran, dass es Adaptation statt Mitigation als teils zulässige Strategie des Grundrechtsschutzes gegen den Klimawandel ansieht."
Medien - Verfassungsblog
- "Die planetarische Bürgerrechtsbewegung vor Gericht -
Klimaaktivisten blockieren Straßen, Rollfelder und beschmieren durch Glas geschützte Gemälde mit Kartoffelbrei. Sie fordern eine neue Verkehrspolitik und andere Maßnahmen zum Schutze des Weltklimas.
Die hierdurch erregte Aufmerksamkeit ist essenzieller Bestandteil der Kampagnenlogik dieser Protestbewegungen. Sie bringen ihr planetares Anliegen so immer wieder in die politische Öffentlichkeit, nicht nur in Deutschland.
Aus Gründen der Aufmerksamkeitsökonomie ist es für die Klimaaktivistinnen zudem wichtig, immer wieder neue Protestformen zu entwickeln. Dazu gehören auch friedfertige Störungen des Alltagslebens wie z.B. die Sitzblockade, wie sie aus klassischen Bürgerrechtsbewegungen bekannt sind.", 2022, https://verfassungsblog.de/die-planetarische-burgerrechtsbewegung-vor-gericht/ - "Klimaschutz als rechtfertigender Notstand -
Zum Freispruch von Klimaaktivist:innen durch das Amtsgericht Flensburg -
Mit dem Freispruch eines Klimaaktivisten vor dem Amtsgericht Flensburg hat die Diskussion um die Strafbarkeit bestimmter Formen des Klimaaktivismus einen neuen Höhepunkt erreicht. Erstmals wurde angenommen, dass ein sog. rechtfertigender Notstand vorliegt und der Hausfriedensbruch eines Baumbesetzers damit gerechtfertigt war.", 2022, https://verfassungsblog.de/klimaschutz-als-rechtfertigender-notstand/
Staatliche Unverhältnismäßigkeit gegen friedlichen Klimaprotest ist schädlich für die Demokratie
- "Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München gegen die Letzte Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung sind mit schweren Grundrechtseingriffen verbunden und richten sich gezielt gegen zivilgesellschaftlichen Protest, so Amnesty International", Amnesty International Deutschland e. V., Oktober 2023
- Blick in andere Länder: Urteil zu einer Mini-Blockade von Extinction Rebellion (XR) in der Schweiz:
"Richter kritisiert Polizeihaft für Klimaaktivistinnen"
"Oberrichter Spiess erwähnt zunächst die Entschädigung, die beiden Freigesprochenen wegen der Polizeihaft zusteht. Die ältere Frau bekommt 400 Franken, die jüngere 600, weil sie etwas mehr als zwei Tage in Haft bleiben musste.
Das sind 200 Franken pro ungerechtfertigtem Hafttag.
Christoph Spiess sagt: «Ich halte es für unverhältnismässig, dass die Leute in einer solchen Situation zwei Tage lang eingesperrt und erkennungsdienstlich behandelt werden.» Das gäbe es in anderen Fällen nicht. «Ich habe den Eindruck, dass hier ein Abschreckungseffekt erzielt werden soll. Alle bleiben zwei Tage lang drin, das gibt es sonst nicht. Das muss einmal gesagt werden. Das stört mich.», republik.ch/2023 - "Die Radikalen sind nicht die Protestierenden. Es sind jene, die den Verpflichtungen zum Klimaschutz nicht nachkommen.", Gemeinsame Erklärung zur Debatte um die Kriminalisierung von Klimaprotesten der Umweltverbände BUND, Campact, DNR, Germanwatch, Greenpeace, Nabu und WWF, November 2022
- Unrechtmäßige Kriminalisierung als politische Strategie, klimafakten, 2022
- "Habel: Das Feindbild „Klimaaktivist“ ist ja kein Zufall, sondern wurde über Wochen aufgebaut – auch von Akteuren aus der Politik und aus den Medien, die eigentlich eine besondere Verantwortung haben, für Deeskalation zu sorgen." - Mehr in Störender Protest und Ziviler Ungehorsam