Landkreis muss Mammutaufgabe Klimaschutz endlich politisch angehen

22. September 2022 | Energiewende, Klimawandel

Der BUND Bergstraße erkennt bei den Klimaschutzaktivitäten des Kreises ein politisches Handlungsdefizit. Das Klimaschutzkonzept von 2021 muss jetzt schon nachgeschärft werden.

Solarmodule werden auf einem Hausdach montiert. So geht Energiewende: Solarstrom vom Hausdach  (Greens MPs: Solar installer / Lizenz CC BY-NC-ND 2.0 / https://www.flickr.com/photos/52218251@N07/9180614416)

Der Kreisverband Bergstraße des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nimmt das erste Klimaforum des Kreises Bergstraße zum Anlass, die bisherigen Aktivitäten des Landkreises zum Klimaschutz unter die Lupe zu nehmen. Neben positiven Ansätzen erkennt der Umweltverband vor allem ein politisches Handlungsdefizit. "Das neue Format Klimaforum ist ein praktikabler Ansatz, um die Bevölkerung zu mehr Klimaschutz zu motivieren", verteilt BUND-Sprecher Guido Carl vorsichtig Vorschusslorbeern für die anstehende Tagung im Bürgerhaus, relativiert das Lob aber gleich wieder: "Kreistag und Landrat gehen die politische Zielsetzung aus dem Klimaschutzkonzept bisher nicht an. Dabei muss das Konzept angesichts der immer schnelleren Klimaerhitzung schon jetzt nachgeschärft werden."

Der Bergsträßer Kreistag hat sich 2021 mit seinem Klimaschutzkonzept zum Ziel gesetzt, die im Pariser Klimavertrag vereinbarte maximale Erwärmung von 1,5 Grad einzuhalten und will dafür bis 2045 klimaneutral werden. Insbesondere in den eigenen Liegenschaften will man vorbildlich agieren und den Energiebedarf schon bis 2035 drastisch senken. Der BUND unterstützt die Vorbildwirkung ausdrücklich, weist aber auch darauf hin, dass alle kommunalen Liegenschaften zusammen nur einen Anteil von 1% des Endenergieverbrauchs im Kreis Bergstraße ausmachen. Daher sei es dringend erforderlich, dass der Kreis seine politische Agenda auf die Großemittenten Verkehr, Wirtschaft und Privathaushalte erweitert, so der Umweltverband. Zumindest auf die Gruppe der Privathaushalte gehe der Landrat mit dem Klimaforum erfreulicherweise schon zu, um mit ihnen gemeinsam die „Mammutaufgabe Klimaschutz“ anzugehen.

Ausbauziele für erneuerbare Energien bisher noch nicht angegangen

Das Klimaschutzkonzept beschreibt in seinem ZIEL-Szenario, dass die im Kreis benötigte Energie vor allem aus Windenergie, Solarenergie und Holz aus dem Wald bereitgestellt werden soll. Dabei sollen nach Angaben des BUND die heutigen vier Windkraftvorrangflächen zu 100% ausgebaut, 1.500 Hektar Freiflächen mit Photovoltaik überbaut, 1.500 Hektar Dachflächen mit Solarstromanlagen bestückt und 40% des Holzzuwachses in Bergsträßer Wäldern für Raumwärme verbrannt werden. „Für diese politischen Ziele fehlen derzeit noch alle Voraussetzungen.“, verweist Carl auf Defizite der Kreispolitik.

Laut BUND habe der Kreistag sich den Bau von Windrädern selbst verboten, als er sich verpflichtete, in dieser Frage strikt den Wünschen der Kommunen zu folgen – was klar im Widerspruch zum oben genannten Ausbauziel steht. Einen Verlust von 5% der Landwirtschaftsfläche im Kreis für Solarstrom-Anlagen sei den Bauern nicht zumutbar, während der Zuwachs von PV-Anlagen auf Dächern leider nur langsam vorangehe. Schließlich sei die Entnahme so großer Holzmengen aus dem Wald ökologisch bedenklich; zudem zeigen aktuelle Forschungsergebnisse des Öko-Instituts, dass Stammholz im Vergleich zu Erdöl keine Klimavorteile bietet. „Als wesentlichen Schritt zur Umsetzung des Klimaschutzkonzepts erwartet der BUND von Landrat Engelhardt und dem Kreistag Unterstützung für Energiesparmaßnahmen und den intensiven Einsatz für den Ausbau der Windenergie.“, fordert Carl.

Klimaneutralität muss früher erreicht werden

Doch ist das Klimaschutzkonzept von 2021 noch aktuell? "Die Gefahr rückt schneller näher als gedacht", formuliert eine internationale Forschergruppe zum Risiko, dass das Erdklima sich offenbar mit großem Tempo irreversiblen, möglicherweise abrupten Veränderungen (den Klima-Kippelementen) nähert. So würden bei einer globalen Erderhitzung von 1,5°C wahrscheinlich fünf von sechzehn Kipppunkten bereits ausgelöst: Betroffen sind die Eisschilde Grönlands und der Westantarktis, die Ozean-„Umwälzpumpe“ in der Labradorsee, das massive Absterben der tropischen Korallenriffe sowie das Auftauen der Permafrostböden. "Eine Notbremse bei CO2-Emissionen ist erforderlich, um wenigstens das 2°-Ziel noch einzuhalten", erklärt Mathias Ilka, Sprecher des BUND-Kreisverbands; so seien die Zeitziele des Klimaschutzkonzepts schon jetzt überholt und müssten vorverlegt werden.

Daher sieht der BUND die Notwendigkeit, dass die Kreispolitik eigene Anreize setzt, um Klimaschutz zu fördern und zu beschleunigen. Als Optionen zur Beschleunigung schlägt der BUND vor, dass der Kreis aktiv die Zusammenarbeit mit Bürgerenergiegenossenschaften sucht, um deren Investitionskapital für Dachsolaranlagen nutzbar zu machen, z.B. auf Schuldächern. Auch Personal für eine aufsuchende Energieberatung in einkommensschwachen Haushalten würde helfen und gleichzeitig soziale Verwerfungen mindern. Auch könne der Kreis seinen Einfluss bei Banken geltend machen, um günstige Zinsen und Sonderzuschüsse für Klimaschutzmaßnahmen zu vereinbaren. „Insgesamt sehen wir, dass die Kreispolitik sich zwar auf den Weg macht, aber noch deutlich zulegen muss, um beim Klimaschutz rechtzeitig sichtbare Erfolg zu erzielen.“, bilanziert Guido Carl abschließend.

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