Der Landesverband Hessen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen) ist bestürzt über das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Darmstadt vom 30. April 2024, das einen Sofortvollzug der Ablagerung von radioaktiv belastetem Abbruchmaterial auf die Deponie Büttelborn zugelassen hat, und verweist auf seine beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel seit 2017 anhängige Klage gegen die Freigabe von radioaktiven Abfällen in die Umwelt und auf Deponien.
Es dürfe nicht sein, dass das Darmstädter Verwaltungsgericht dem ehemaligen AKW-Betreiber RWE einen Freibrief ausstelle, solange die Grundsatzfrage, ob die Freigabe des Abbruchmaterials rechtens ist, beim VGH Kassel noch offen sei. Der BUND Hessen lehnt die Verbreitung immenser Mengen von radioaktiv belastetem Abfallmaterial aus dem Abriss der Atomreaktoren Biblis A und B ab. Es geht insgesamt um 60.000 Tonnen Beton, Metall und brennbare Stoffe, die auf Deponien abgelagert, eingeschmolzen oder verbrannt werden sollen. Hinzu kommen 270.000 Tonnen Betonabriss von Gebäuden.
„3.200 Tonnen Abfälle, die auf die Deponie Büttelborn kommen sollen, sind daher nur die Spitze eines radioaktiven Berges“, stellt Guido Carl, der stellvertretende Vorsitzende des BUND Hessen und Kreissprecher des BUND Bergstraße, fest.
Das VG Darmstadt war der Auffassung, dass die möglichen Auswirkungen der Radioaktivität harmlos seien. Der BUND Hessen sieht dies anders, denn nach seiner Auffassung ist das Modell des sogenannten 10 Mikro-Sievert-Konzeptes, nach dem radioaktiv belastete Abfälle freigemessen werden, unklar und widersprüchlich. Erst im letzten Jahr seien Grenzwerte für die Radioaktivität im Atommüll zur Freigabe in der Strahlenschutzverordnung um das 10- bis 100-fache nach unten gesetzt worden.
Bei Berechnungen, ob die zulässige Radioaktivität durch Ablagerung freigemessenen Materials auf der Deponie Käseburg bei Brake überschritten wird, kamen zwei Gutachter zu unterschiedlichen Ergebnissen, die sich um mehr als das Einmillionenfache unterschieden.
Für den BUND Hessen zeigt dies, dass man kein Vertrauen in das 10 Mikro-Sievert-Modell haben und der Schutz der Gesundheit nicht gewährleistet werden kann. Vielmehr sieht sich der Umweltverband in seiner Kritik an den Modellrechnungen zur Freigabe von Atommüll bestätigt.
Ob die Annahmen der Modellrechnungen auf der Deponie Büttelborn wirklich zutreffen, wurde nie untersucht. Ende August wird diese Frage im Verfahren des BUND Hessen vor dem VGH verhandelt werden.
„Was von der Landesregierung und dem Verwaltungsgericht Darmstadt als harmlos dargestellt wird, stellt sich vielmehr als große Gefahr für zusätzliche Krebserkrankungen heraus“, stellt der Atomexperte Dr. Werner Neumann vom BUND Hessen fest.
Ein Vergleich mit der natürlichen Radioaktivität sei nicht haltbar, denn eine künftige Belastung der Bevölkerung durch Radioaktivität aus dem AKW Biblis sei vermeidbar.
Werner Neumann: „Die aktuellen Grenzwerte sind kein ausreichender Gesundheitsschutz. Darüber hinaus fordert das Strahlenschutzgesetz die Minimierung der Strahlenbelastung. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt steht dazu in deutlichem Widerspruch.“
Weitere Informationen
- Rückfragen:
Dr. Werner Neumann, Atomexperte vom BUND | Tel.: 0172 66 73 815 - Themenseite zum AKW Biblis